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Lindner: Ein Angebot an die Bundeskanzlerin

 

 

In der Generaldebatte zerpflückte der Fraktionsvorsitzende Christian Lindner die Simulations-Politik der Bundesregierung. Sie vernachlässigt die Mitte der Gesellschaft, versagt bei der Asylpolitik und verschläft den Rest. Kurz: Sie beschädigt die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt. Das ganze Land und die Regierungsparteien werden durch faule Kompromisse weiter gespalten. Deswegen machte Lindner der Bundeskanzlerin am Ende ein Angebot über Parteigrenzen hinweg.

Seit Herbst 2015 hat die Große Koalition die Flüchtlingskrise genutzt, um alle anderen drängenden Probleme in Deutschland sträflich zu vernachlässigen. „Das überlagert alles, auch diese Rede heute“, sagte Christian Lindner in der Generaldebatte im Bundestag. Aber „es gibt nicht nur die Weltbühne und die Ränder der Gesellschaft. Es gibt Millionen Menschen in der Mitte, die von ihrer Regierungschefin Antworten auf Alltagsprobleme erwarten“, betonte Lindner.

Er erinnerte nur an einige der brennendsten Probleme, die liegengeblieben sind: Seit Herbst 2015 sei die Softwaremanipulation bei deutschen Diesel-Pkw bekannt. Lindner wollte wissen: „Wo ist die Mobilitätsgarantie für Menschen, die auf den Diesel angewiesen sind?“ Auch die Baukosten seien seither für Mehrfamilienhäuser gestiegen. Spätestens seit Herbst 2015 warnen die Wirtschaftsweisen, dass Deutschland weder seine Klimaziele ein- noch seine wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit erhalten könne. Auch über die Digitalisierung der Bildung werde seit drei Jahren nur geredet, während sogar der Zustand der Schultoiletten inakzeptabel geworden ist. „Wir haben mal gesagt: besser nicht regieren, als falsch. Wir haben nicht gedacht, dass beides gleichzeitig geht“, resümierte Lindner.

Doch die Probleme sind nicht zum Lachen. Die deutsche Wirtschaft verzeichnet den ersten Auftragsrückgang seit 2008. Aber während unser Wohlstand stagniert, ersinne die Große Koalition immer mehr Bürokratismus. Selbst jene Projekte, die im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD den Bürgern als Entlastungen versprochen wurden, würden nicht umgesetzt. „Alle drei Koalitionspartner reden, alle drei handeln nicht“, sagte Lindner. Wenn die Regierungsparteien nicht einmal in Zeiten von Rekordeinnahmen in der Lage seien, ihre Wahlversprechen zu halten „ist das ein Anschlag auf die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt“.

Auf das folgende Johlen Volker Kauders verschärfte Lindner den Ton: „Wofür haben sie denn Geld?“, fragte er in Richtung des Fraktionsvorsitzenden der Union. Und gab die Antworten: „6,6 Millionen Euro zusätzlich für die Bundestagsfraktionen“, rechnete er vor, „25 Millionen Euro für die Parteienfinanzierung“ und außerdem „20 Millionen für die politischen Stiftungen.“ Dabei wolle er das gar nicht per se kritisieren, doch „solange und soweit sie keine Bereitschaft haben, die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten, ist es ein Beleg mangelnder Sensibilität, wenn die Politik sich selbst bedient“.

Lindner nahm einen weiteren Zwischenruf zum Anlass, die gebetsmühlenartig wiederholte Kritik am Ausstieg der FDP aus den Sondierungen im Herbst abermals entschieden zurückzuweisen. Er erläuterte, wieso gerade die jüngste Krise der Großen Koalition die Liberalen in ihrer damaligen Entscheidung erneut bestätige: „Das, was den Asylkompromiss ausmacht, ist ein Bruch des Koalitionsvertrages,“ sagte Lindner. Denn Transitzentren, wie sie nun vorgesehen sind, habe die SPD ja vorher eindeutig abgelehnt. „Ich weiß jetzt, warum CDU und CSU in der Agrarpolitik, in der Klimapolitik, in der Steuerpolitik, in der Europa- und Einwanderungspolitik den Grünen jeden Wunsch von den Lippen ablesen konnten bei Jamaika. Weil sie nämlich gar nicht die Bereitschaft hatten, das einzulösen!“ Lindner prognostizierte, dass die SPD, sollte sie beim Asylkompromiss einknicken, bei den Wahlen in Hessen und Bayern dieses Jahr für den Kotau bezahlen und die Krise in die Partei damit zurückkehren werde. „Sie spielen also mit der Stabilität der Regierung, sie verschieben die Regierungskrise nur“, sagte Lindner an die Adresse der Union. „Das ist kein fairer Umgang mit der SPD.“

Zum Ende seiner Rede wandte Lindner sich den Entscheidungen des Europäischen Rats zu. In der Frage der Rettung maroder Banken sei eine fatale Einigung erzielt worden: „Am Ende haften die Bürgerinnen und Bürger.“ Die Frage der Migration hingegen bleibe weiterhin unbeantwortet. Lindner erläuterte nochmals die Haltung seiner Fraktion: Man wolle, wie die Bundeskanzlerin, ein Europa ohne Schlagbäume. Doch man unterscheide sich in einem kritischen Punkt. Deutschland müsse deutlich machen, dass es nicht länger willens und in der Lage sei, die Hauptlast der Migration zu tragen.

Den Kompromiss zwischen Bundeskanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer im Asyl-Streit zerpflückte Lindner. Merkel wolle nicht zurückweisen, Seehofer schon. Doch die bilateralen Abkommen zur Zurückweisung habe die Kanzlerin in Brüssel nicht bekommen. Jetzt solle Seehofer erreichen, was Merkel nicht vermocht hat. „Ich glaube, im Bundeskanzleramt biegen die sich vor Lachen, Herr Seehofer“, unterstrich Lindner.

Schließlich machte Lindner Bundeskanzlerin Merkel ein direktes Angebot: „Da dieses Thema so verkantet selbst in Ihren eigenen Fraktionen ist, lassen Sie uns parteiübergreifend das Problem lösen und in dieser entscheidenden Frage wie Anfang der neunziger Jahre beim Asylkompromiss die politischen Debattenlinien verlassen und gemeinsam neu denken.“

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